Archäometrische Untersuchungen an römischen und mittelalterlichen Marmorobjekten bzw. Baudenkmäler aus Ungarn

 

 

 

12.1. Darstellung und wissenschaftliche Zielsetzung des gemeinsamen Projekts

 

12.1. a. Herkunftbestimmung an Marmorfragmenten der spätrömischen Befestigung in Alsóhetény (Ungarn)

Zwischen 1969-1971 und 1981-1994 wurde in Hetenypuszta ein bedeutendes, militärisches Bauobjekt, eine sogenannte innere Befestigung, die zur römischen Provinz Pannonia Valeria gehörte, aufgeschlossen und ausgegraben. Zu dieser Zeit wurden auch andere in der Größe und Bedeutung ähnliche Befestigungsanlagen in der Provinz gebaut, wie z.B. in Fenekpuszta, Környe, Tac, Sagvar, die als zentralisierte, unter militärischem Schutz und Kontrolle stehende Lebensmittel- und Rohstofflager dienten. Die Befestigungsmauern in Hetenypuszta waren etwa 3 Meter dick, sie umgaben ein Gebiet vom 300x400 Meter. Die Verteidigungsanlage wurde in einer zweiten Bauphase der Befestigung mit 51 runden Turmbauten, (Durchmesser je 13 m) zusätzlich verstärkt. Die Errichtung von hufenförmigen Seiten- und fächerförmigen Eckturmbauten in der Innenbefestigung, des weiteren deren Umbau zu kreisförmigen Türmen stellten seinerzeit die größten Baumaßnahmen in Pannonien dar.

Der riesige Rohstoffbedarf der militärischen Bautätigkeit konnte ausschließlich durch gut organisierte Einfuhr aus fernen Regionen befriedigt werden, da die nähere Umgebung an Baumaterialien sehr arm war. Ein Teil sowohl der Befestigungs- als auch der Getreidespeichermauer wurde von zerstückelten, zerbrochenen Marmorfragmenten aufgebaut, die allerdings ursprünglich von behauenen Grabstelen aus der mittleren Phase der Kaiserzeit stammten. 90% der 860 (mehr oder minder großen) Steinfragmenten stammten nämlich aus einem, in der Nähe gelegenen Friedhof aus der Heidenzeit. Die Grabstelen wurden jeweils auf einen Wagen geladen, zur Baustelle gefahren, dort zerstört und – obwohl es in den 360-er Jahren n. Chr. gesetzlich verboten war – als Bausteine wiederbenutzt. Dieses Verfahren ermöglicht uns, die Marmorfragmente wieder zusammenzustellen, wobei öfters ganze Grabstelen rekonstruiert werden können.

Die Fundgruppe ist in Ost-Pannonien einmalig, da behauene Marmorstelen bisher im Gebiet noch nicht oder wenig bekannt waren. Die Funde wurden im an behauenen und mit Inschriften verzierten Objekten ärmsten Gebiet Pannoniens ausgegraben. Ihre Größenordnung übertrifft die bislang gefundenen Steinmaterialien der drei südwestlichen Komitaten Ungarns.

Die künstlerisch anspruchsvoll angefertigten Marmor-Objekte stammen aus dem Zeitraum zwischen Mitte des 2. Jh. n. Chr. und dem Ende der Regierungsperiode der Kaiser Severus. Sie stellen mythologische Personen und Szenen, sowie die Gräber beschützende Löwen dar; verewigen die Gesichtszüge, die Tracht und den Schmuck der Verstorbenen und unter ihnen sind auch die Fragmente einer Kaiserdarstellung von anderthalbfacher Lebensgröße zu finden; ferner bereichen den Fundus noch Marmor Grabsteinfragmente, Bauelementen (Säulen, reichlich verzierte Gesimsmauerwerke) und Inschriften. Es ist bemerkenswert, daß selbst die Seiten der Grabstelen graviert sind. Diese in Ost-Pannonien seltenen Fundobjekte von außergewöhlich hoher künstlerischer Qualität stammen sicherlich nicht von örtlichen Steinmetzen. Die auftraggebende Gemeinde war durch ihren Reichtum im Stande, ihre Grabmäler durch Heranziehung von Werkstätten aus der Ferne wertvoll gestalten zu lassen.

Die kunsthistorische Auswertung dieser Funde ist im Gange, allerdings gibt es zur Zeit Anhaltspunkte, daß sie in Steinmetzwerkstätten in Ost-Noricum und West- bzw. Süd-Pannonien, (also mehrere hundert Kilometer von der Fundstelle entfernt) angefertigt worden sein dürften. Dies durch archäologische Methoden nachzuweisen ist äußerst schwierig, folglich muß sich die Forschung zur Herkunftbestimmung der Marmoren auch mit naturwissenschaftlichen Methoden bedingen.

Da eine Herkunftbestimmung von Steinmaterialien aus der Zeit der Römer in Ungarn noch vollständig fehlt, mangelt es an Vergleichsangaben. Zum ersten Mal könnte die wissenschaftliche Forschung durch Heranziehung der neuesten Erkenntnisse der Mineralogie, Petrologie und Geochemie eine komplexe Datenbank zum Fundus der Römerzeit in Ungarn gewinnen. Die in Ungarn neu zu erstellende Datenbank verspricht der Forschung die unabdingbare Ergänzung der bezüglich der Mehrzahl der anderen römischen Provinzen bereits vorhandenen systematische Herkunftanalysen.

 

12.1.b Charakterisation und Herkunftbestimmung “roter Marmoren“ aus Ungarn

Seit dem Mittelalter bis heute werden “rote Marmore“ als Grabstelen, Baumaterial verwendet. Zielsetzung der Diplomarbeit vom Farkas Pintér ist mit Hilfe mineralogischer, petrographischer, geochemischer Untersuchungen Rückschlüsse zu ziehen über die mögliche Herkunft, und damit die Verbreitungskarte historischer Steinbrüchen festzulegen.

Weitere Untersuchungen werden an der Oberfläche des Materials durchgeführt um die qualitative bzw. quantitative Veränderungen festzustellen, und deren Ursachen zu forschen. Mit dieser Etappe kann die Restaurierung-Konservierungsarbeit in der Zukunft naturwissenschaftlich unterstützt werden.

 

12.2. Stand der Forschung: Probleme und Möglichkeiten geowissenschaftlicher Herkunft-nachweis für Marmore

 

Keiner der zahlreichen Versuche, Bau- und Skulpturmarmore entweder nach petrogra-phischen oder nach geochemischen Merkmalen alleine zu differenzieren, hat bisher eindeutige, universell anwendbare Herkunftsindikatoren erbracht. Erfolgversprechender erscheint dagegen die Anwendung kombinierter Informationen zu sein, wobei jeweils geochemische Kenngrößen wie Spurenelement- oder Isotopenverteilung mit Korngefügeeigenschaften zu einem geologisch interpretierbaren Merkmalsmuster verknüpft werden müssen, dessen Gültigkeit allerdings auf geologisch und regional eng begrenzte Einheiten beschränkt sein kann. Die Vielfalt der Marmortypen sollte dabei für die Laboruntersuchungen mit repräsentativem Probenmaterial belegt. Gerade die systematische Erfassung solcher antiken Gewinnungstätten für Marmore ist eine der unumgänglichen Voraussetzungen für sichere Zuordnungen.

 

Naturwissenschaftliche Herkunftbestimmungen an Bau- und Skulpturmarmoren gehören zu den mittlerweile klassischen archäometrischen Untersuchungsmethoden. Das Spektrum der Untersuchungsmethoden, die sich für diesen Zweck anbieten, ist breit; neben den qualitativen und quantitativen petrographischen Untersuchungen unter dem Polarisationsmikroskop sind es jüngerer Zeit vor allem die geochemischen Analysen von der Bestimmung von Neben- und Spurenbestandteilen bis hin zur stabilen und radiogenen Isotopenanalyse (vor allem C, O und Sr), von denen sich Archäologen und Geowissenschaftler beweiskräftige Aussagen über die Herkunft von Marmoren erhoffen.

 

Jeder Versuch, die Herkunft von Skulptur- und Baumarmoren zu bestimmen, muß nach wie vor mit der systematischen Erfassung ihrer makroskopisch erkennbaren Merkmale wie Färbung, Mineralführung und Gefügedaten beginnen.

Insbesondere das natürliche Flächengefüge (Schichtung, Schieferung, Klüftung) der Marmore muß in seinem räumlichen Beziehungen zueinander und zu bearbeiteten Flächen exakt eingemessen werden. In einigen Fällen ist mit diesen Eigenschaften bereits eine grobe Gruppierung der Marmore möglich. Hilfreich können auch Verwitterungserscheinungen sein.

Führt die Erfassung von Makro-Merkmalen nicht zum gewünschten Zuordnungserfolg – und dies ist die Regel – müssen weitere Methoden bemüht werden, die sich nun allerdings nicht mehr zerstörungsfrei, d. h. ohne Materialentnahme bewerkstelligen lassen.

 

Für die qualitative und quantitative Analyse von Mineralführung und Gefügeeigenschaften von Marmoren wird sehr häufig die Polarisationsmikroskopie eingesetzt.

Mit mikroskopischen Dünnschliff- oder auch Anschliff-Untersuchungen lassen sich Mineral-Paragenesen ermitteln, die in wenigen Einzelfällen auch herkunftstypisch sein können. So hat sich bei einigen Untersuchungen ergeben, das Marmorvorkommen durch ihre verstärkte Glimmerführung die Häufigkeit opaker Substanzen oder durch höhere Dolomit-Anteile gekennzeichnet sind. In allen diesen Fällen handelt es sich um Mineral-Komponenten, die für Marmore keineswegs ungewöhnlich sind, die gehäuft jedoch nur in weniger hochwertigen Marmoren auftreten. Als wesentlich aussagekräftiger haben sich Korngefügeeigenschaften (Korngröße, Verteilung, Breiten/Längen Verhältnisse) erwiesen.

Während petrographische Untersuchungen einen erheblichen Materialbedarf bedingen – ein Dünnschliff sollte wenigstens einige Quadratzentimeter groß sein – sind geochemische Untersuchungen im allgemeinen mit wesentlich geringeren Probemengen durchzuführen. Der Eingriff in die Substanz eines Bauwerkes oder einer Skulptur ist damit weniger schwerwiegend. Hier muß die Röntgendiffraktion (XRD: X-ray diffraction), ein schon älteres, aber für die Archäometrie wichtiges Verfahren erwähnt werden. Sie wird bei der Untersuchung von vor allem anorganischen Stoffen eingesetzt, um die Kristallform der vorliegenden chemischen Verbindung oder Mineralphase zu bestimmen. Phasenanalysen sind besonders bei mineralogischen Untersuchungen wertvoll und ergänzen petrographische Mikroskopanalysen.

 

Eine ganze Reihe spezieller Analysenmethoden (z.B. AAS, ICP-MS) sind so empfindlich, daß Spurenelemente in Artefakten meßbar sind. Spurenelemente liegen in Konzentrationen von einigen ppm vor. Sie spielen im allgemeinen keine Rolle für das Aussehen, die Materialeigenschaften und den Herstellungsprozeß eines Gegenstandes und sind als geringfügige Verunreinigungen zu betrachten. Diese unbeabsichtigt und immer enthaltenen Spuren der verschiedenen Elemente können jedoch dazu benutzt werden, einzelne Objekte zu unterscheiden und mehr über ihre Herkunft und Geschichte zu erfahren. Denn die zur Herstellung verwendeten Materialien enthalten unveränderbar die gleiche Verunreinigungen, die spezifisch für die Lagerstätte sein können, aus der diese Materialien genommen wurden. Durch eine Analyse der in Spuren vorkommenden Verunreinigungen in den Artefakten gewinnt man daher ein weiteres Merkmal, das bei dem Puzzle der Herkunftbestimmungen helfen oder es sogar lösen kann. Das Muster der Elemente stellt eine Art “Fingerabdruck“ dar, der für den Herkunftsort typisch ist.

 

Unterschiedliche Spurenelementenchemismus der Calcite sollte auch deren Lumineszenzverhalten beeinflussen. Erste Untersuchungen von Renfrew & Peacy (1968) an Marmoren Griechenlands haben gezeigt, daß die Kathoden-Lumineszenz von Calciten in einigen Fällen als herkunftstypisches Merkmal Verwendung finden kann.

 

Zuletzt noch ein Blick auf die Möglichkeiten, Sauerstoff- und Kohlenstoff- Isotopenverhältnisse als herkunftstypisches Merkmal einzusetzen, wie dies zuerst Craig & Craig (1972) getan haben. Da die Sauerstoff- und auch die Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse mit der Temperatur und der Quelle des Kohlen- und Sauerstoff, variieren, und da sich verschiedene Marmorvorkommen zu erdgeschichtlich verschiedenen Zeiten bei unterschiedlichen Klimaverhältnissen bildeten und eine unterschiedliche Entwicklungsgeschichte haben, sollten die Isotopenverhältnisse von verschiedenen Marmorbrüchen variieren. Durch Isotopenanalysen von Proben aus verschiedenen Marmorbrüchen konnte diese Annahme bestätigt werden. Aber auch hier erscheint eine zweifelfreie Zuordnung von Marmoren nur dann möglich, wenn weitere geochemische oder petrographische Kenntnisse verfügbar sind.

 

Mit wachsender Menge an Daten über einzelne Marmorbrüche wird in Zukunft eine Zuordnung einzelner Fundstücke immer leichter werden.

Erfolgversprechender als die Suche nach dem universellen Herkunftsindikator, so hat sich bisher gezeigt, scheint also die Anwendung von Merkmalskombinationen zu sein, wobei jeweils geochemische Kenngrößen wie Spurenelement- oder Isotopenverteilung mit petrographischen Eigenschaften zu einem – möglichst auch geologisch interpretierbaren – Merkmalsmuster verknüpft werden müssen, dessen Gültigkeit allerdings auf geologisch und regional eng begrenzte Einheiten beschränkt sein kann. Ziel aller Herkunftanalysen muß daher ein möglichst umfassender Katalog geologischer, petrographischer und geochemischer Merkmale der in der Vergangenheit verwendeten sein, ein Fernziel, das nur in Etappen erreichen sein wird.

 

 

 

12.3. Bisher geleistete Vorarbeiten zum gemeinsamen Projekt

 

Projektleitende Institutionen

 

Lehrstuhl für Geochemie

Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Deutschland

Projektleiter: Prof. Dr. phil. nat. Dr. h. c. Muharrem Satir

Dr. rer. nat. Heinrich Taubald

Dipl-Geol. Judit Zöldföldi

 

Ungarisches Nationalmuseum

Budapest

Ungarn

Projektleiterin: Dr. Katalin Bíró

Mráv Zsolt

 

Beteiligte Institutionen

 

Lehrstuhl für Petrologie und Geochemie

Eötvös Loránd Universität Budapest, Ungarn

PhD. György Szakmány

Farkas Pintér

Doktorand (n. n.)

Diplomand (n. n.)

 

Geochemisches Forschungslabor (GKL)

Budapest, Ungarn

Dr. Mária Tóth

 

Pannon Universität (PATE)

Kaposvár, Ungarn

Prof. Dr. János Csapó